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Montag, 3. Dezember 2012

Dezemberträume

Graue Stiefel auf grauem Asphalt. Graue Wolken am grauen Himmel. Graue Gesichter.
Sollte ein Weihnachtsmarkt nicht bunt und lebendig sein? Sollte er nicht leuchten und glitzern? Alles ist stumpf.
Die Luft riecht nach Regen. Nicht nach Schnee oder Bratwurst. Nach Mistwetter und erkälteten Menschen. Irgendwo zieht jemand die Nase hoch.
Ich setze einen Schritt vor den anderen. Nicht langsam, schlendernd; wie es sich für einen Weihnachtsmarkt Mitte Dezember gehört, sondern schnell und hastig. Ich habe es eilig. Ich will hier nicht sein.
Graue Mäntel vor grauen Häusern. Graue Pfützen, in denen sich der Himmel nicht spiegelt. Dreckig.
Sollte ein Weihnachtsmarkt nicht laut und überfüllt sein? Sollte nicht Musik und Kinderlachen aus jeder Ecke ertönen? Alles ist still.
Es stinkt nach ranzigem Bratfett. Nicht nach Glühwein und heißem Kakao. Es stinkt nach schlechter Laune. Irgendwo ist jemand in Hundescheiße getreten und flucht.
Ich lasse die Augen schweifen. Nicht langsam, stöbernd; wie man es auf einem Weihnachtsarkt Mitte Dezember erwartet, sondern suchend und ruhelos. Ich weiß nicht wonach ich suche. Nach zu Hause?

Ein Kinderkarussell. 'Dezemberträume' sagt sein Name. Es steht still. Die Farbe ist von den Figuren abgeblättert. Der Eigentümer steht daneben. Er friert. Und wie traurig er aussieht. So unendlich traurig. Ich verlangsame meine Schritte und bleibe stehen. Das Karussell knarrt leise im Wind. Ich streiche mit meinen Fingern über das spröde Holz. Grau. Vielleicht war diese Stelle mal rosa. "Es war blau." Ich hebe erschrocken den Kopf. Der alte Mann ist näher gekommen. "Dezemberblau."
Ich schweige. Und nicke. "Zwei Karten bitte", sage ich und zücke meinen letzten Geldschein.

Als das Karussell sich zu drehen beginnt, halte ich mich an der verblichenen Mähne des grauen Pferdes fest. Hinter mir höre ich ein Glucksen, als der Karusselbesitzer sich in das Feuerwehrauto schwingt. Auch sein Holz ist gesplittert, doch als er die Glocke ertönen lässt, klingt sie, wie schon vor 60 Jahren. Das Karussell dreht sich schneller und schneller und als tausend Farben grau zusammenhangslos an mir vorbeirauschen und ich die Augen schließe, verirrt sich doch tatsächliche eine verlorene Schneefllocke auf meine Nasenspitze. Ich strecke meinen Arm hinter mich und ergreife seine faltige Hand. Ich bin zu Hause.

3 Kommentare:

  1. Man fühlt richtig mit, wie es beschrieben ist.

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  2. Neeeeeeiiiiin!!
    Doch nicht Twilight!! :D
    Das ist von "Die fabelhafte Welt der Amélie" mein Lieblingsfilm :DD

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  3. Wow. sehr, sehr toll geschrieben. ist das von dir Lisa? Manchmal wirken weihnachtsmärkte wirklich so.

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